
Themen
In meiner Forschung habe ich das Ziel, aus meiner Perspektive als Forscher an der Bibel heraus zum Gespräch mit anderen Disziplinen und dem gesellschaftlichen Diskurs beizutragen. Meine Arbeiten kreisen um die folgenden Themenfelder.

Erzählungen
Das Erzählen von Geschichten ist eine der grundsätzlichsten kulturellen Praktiken, die uns als Menschen ausmachen.
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Das Thema beschäftigt mich in vielfältiger Weise. Ich interessiere mich beispielsweise auch für Literatur und dafür, wie Künstliche Intelligenz erzählt. Ein Hauptfokus meiner Arbeit liegt aber auf ganz bestimmten Geschichten - den biblischen Erzählungen. Sie gehören zu den wirkmächtigsten Narrativen, welche die Menschheit in ihrer Geschichte überhaupt hervorgebracht hat und sie prägen unser Denken bis heute - und beeinflussen, wie wir unsere eigenen Geschichten erzählen und Biographien schreiben.
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Zu diesem Themenkomplex habe ich bisher zwei größere Projekte durchgeführt:
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​In meiner Doktorarbeit beschäftigte ich mich mit dem Apostel Paulus. Er wird von vielen für einen verkopften Denker gehalten, der niemals mitreißende Geschichten erzählt hat, sondern eher an theologischen Ideen, an Dogmen, interessiert war. In meiner Dissertation zeige ich, dass diese Annahme fundamental falsch ist: Paulus erzählt sehr wohl und in einem sehr eigenen Stil. Und seine Erzählungen prägen die Kulturgeschichte bis in die Gegenwart. Meine Analyse von mehr als 1000 Seiten (Paulus als Erzähler?) gibt es hier im Open Access zu lesen. Für die Arbeit wurde ich mit dem Manfred Lautenschläger Award 2022 ausgezeichnet. Eine aktualisierte, zugänglichere und auf Englisch verfasste Präsentation meiner Thesen erschien 2024 bei Eerdmans (siehe hier zu Paul the Storyteller).​
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Seit 2023 leite ich eine internationale Nachwuchsforschungsgruppe an der LMU München, welche sich mit der Kategorie der Erzählperspektive auseinandersetzt. Im Hintergrund steht die Erkenntnis, das Erzählungen nicht nur das "Was?" des Erzählten ausmacht, sondern auch das "Wie?" des Erzählens. Dieselbe Geschichte kann nämlich ganz unterschiedlich vermittelt werden, je nachdem, durch wessen Perspektive die Ereignisse betrachtet werden - durch wessen Augen wir quasi auf die sich entfaltenden Ereignisse blicken. Diese verschiedenen Blickwinkel und Bewertungen in den frühchristlichen Erzählungen über Jesus Christus beeinflussen uns auch noch heute. Das Projekt setzte sich in einem kompetitiven Verfahren bei einer Ausschreibung des Elitenetzwerkes Bayern durch, welche das Ziel hat, durch Spitzenförderung exzellente Forschung zu ermöglichen. Details über das Projekt gibt es hier. Zudem haben wir eine Webseite, auf der wir in den nächsten Jahren über unsere Forschung zu frühchristlichen Erzählungen berichten werden. Im Jahr 2024 schloss ich an der Universität Basel meine Habilitation zum Thema der Erzählperspektive in frühchristlichen Erzählungen ab. Ihr wurde von der Theologischen Fakultät der Dewetteaneum-Preis verliehen, die Auszeichnung für die beste akademische Arbeit des Jahres. Sie erscheint 2026 in der Reihe WUNT I bei Mohr Siebeck.
Religion und Politik
Wir - also ich und vermutlich die meisten von Ihnen - leben in säkularen Gesellschaften. Dennoch spielt Religion nach wie vor eine große Rolle für unser Zusammenleben - und sei es nur aufgrund der meist unsichtbaren Rolle, welche die Bibel in der Herausbildung heutiger Weltbilder und ethischer Entwürfe gespielt hat. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!", heißt es beispielsweise nicht selten im politischen Diskurs zu Sozialleistungen. Wer weiß schon, dass dahinter letztendlich ein (völlig missverstandenes!) Bibelzitat steckt?
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Die meisten meiner Arbeiten analysieren den Zusammenhang von Religion und Politik allerdings aus der umgekehrten Perspektive: Welche Rolle spielt die damals zeitgenössische Politik für die Abfassung der Schriften des Neuen Testaments? Wird darin nur die Herrschaft des römischen Reiches bestätigt oder gibt es in diesen Texten eine kritische Auseinandersetzung mit staatlicher Repression? Und was können wir heute für das Verhältnis von Staat und Kirche - und gerade für den Umgang mit unterdrückerischen Regimes - lernen?
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Für meine Arbeit zu dem Thema erhielt ich den Mercator Award der Geistes- und Sozialwissenschaften 2018 (Laudatio gibt es hier zu sehen). Der Preis zeichnet insbesondere Innovativität, Interdisziplinarität und Gesellschaftsrelevanz aus.
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Meine wichtigsten Veröffentlichungen zu dem Thema sind:
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Meine erste wichtige Veröffentlichung zu dem Thema ist das Buch Hidden Criticism? Es geht von der Beobachtung aus, dass der Apostel Paulus oft für einen Duckmäuserich gehalten wird, der im Römerbrief die Christen zum braven Steuerzahlen und zur Unterordnung unter die Staatsgewalt aufgefordert hat, aber ansonsten nicht viel zur Unterdrückerherrschaft der Römer zu sagen hatte. Meine Arbeit geht nun der Frage nach, ob es in den Paulusbriefen so etwas wie eine versteckte Kritik am römischen Reich gibt, in Code geschriebene und damit weniger gefährliche Attacken auf den Kaiser. Das Buch gibt es im Open Access hier.​
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In meinem zweiten Fachbuch (Paul's Triumph: Reassessing 2 Corinthians 2:14 in Its Literary and Historical Context, Peeters: 2017) wende ich diese Überlegungen auf einen bestimmten Textabschnitt in den Paulusbriefen an und untersuche, was die merkwürdige Metapher vom römischen Triumphzug im Zweiten Korintherbrief des Apostels zu bedeuten hat.
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Im Jahr 2022 erschien mit The Apostle and the Empire: Paul's Implicit and Explicit Criticism of Rome mein Versuch, die Debatte nochmal auf einen aktuelleren Stand zu bringen und zu skizzieren, in welche Richtung die Forschung in diesem Bereich am erfolgversprechendsten fortgesetzt werden könnte.
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Künstliche Intelligenz
Wie kommt jemand, der an der Bibel forscht zu einem Thema wie KI? Auf den ersten Blick könnte der Kontrast zwischen dieser neusten Technik und den alten, wenn nicht sogar antiquierten, Texten der Bibel kaum größer sein. Und in gewisser Hinsicht stimmt das auch: Durch die KI-Textmassen stellt sich die Frage, welch Relevanz diese über Jahrtausende als Heilige Schriften gelesenen Texte aus der Antike noch haben können, die doch für ganz spezifische Kontexte geschrieben wurden. Aber genau weil dies eine so große Herausforderung ist, muss man sich als Theologe damit beschäftigen - und dabei gewinnt man eine Menge Einsichten, die auch für andere Wissenschafts- und Lebensbereiche relevant sind. Denn eine Konkurrenz zwischen menschlichen und maschinellen Texten gibt es neuerdings ja beinahe überall. Da braucht es solide Antworten auf existenzielle Fragen. Die Theologie kann hier als Gesprächspartnerin eine wertvolle Perspektive beitragen. Denn das Vokabular, das neuerdings in der KI-Entwicklung rund um angestrebte Superintelligenzen verwendet wird, ist zutiefst religiös. Darüber offen und kritisch zu sprechen ist äußerst wichtig für die Zukunft, auf die wir als Gesellschaft zugehen. Welche Rolle soll der Mensch in diesem neuen Zeitalter noch spielen? Was ist der Mensch denn überhaupt? Welchen Wert hat Kultur? Nach welchen Werten richten wir unser Handeln - und die KI! - aus?
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Über solche Fragen denke ich seit 2025 als Mitglied des Jungen Kollegs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nach. Dieses Stipendium ist hochkompetitiv (nur 18 Nachwuchsforschende in Bayern aus allen Disziplinen sind Kollegiat:innen, ich bin der erste Theologe in diesem Kreis überhaupt) und ich freue mich sehr darüber, meine Forschung zu KI und Kultur in diesem exzellenten interdisziplinären Kontext durchführen zu dürfen.
Bei meiner Forschung hilft mir die breite Palette der Kompetenzen, die ich im Laufe meiner Forschungslaufbahn erworben habe. So habe ich schon ein interdisziplinäres Projekt zur Wahrscheinlichkeitstheorie geleitet. Meine Doktorarbeit beschäftigte sich mit textlinguistischen Fragestellungen. Und große Sprachmodelle produzieren nun eben genau Text - und das als wahrscheinliche Folgen an Tokens. Durch mein früheres Interesse für die digital humanities habe ich zudem gewisse digitale Kenntnisse, etwa, was das Programmieren angeht. Dazu kommt meine literaturwissenschaftliche Expertise, die mir erlaubt, auch die Qualität dieser Produkte einzuschätzen. Neuerdings - mit den sogenannten "reasoning"-Modellen - spielt auch immer mehr meine frühere Forschung zu Fragen der Erkenntnistheorie eine Rolle. Und je mehr KI in unseren Alltag dringt und Politik und Gesellschaft vor Herausforderungen stellt, desto mehr helfen mir meine kulturwissenschaftlichen und ethischen Kenntnisse, die ich für meine Forschung zum Zusammenhang von Religion und Politik erworben habe. Es ist also die Schnittstelle all dieser Interessen, die mir einen - natürlich limitierten, zugleich aber auch ganz einzigartigen - Zugang zur Thematik erlaubt.
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